Montag, 26. Februar 2018

Eric Nil - Abifeier

 

Warum es sich zu lesen lohnt:

 

Wenn man selbst aus einer Scheidungsfamilie kommt, sind einem die kleinen Dramen rund um Familienfeste geläufig. Die sehen dann beispielsweise so aus: Der Vater droht nicht zu kommen, wenn der neue Mann der Mutter auch da ist. Die Schwester will auf keinen Fall neben dem Sohn der neuen Frau des Vaters sitzen und man selbst würde am liebsten jedes Familienfest meiden, bei dem eine bestimmte Person auftaucht, die leider irgendwie dann doch zur Familie zu gehören scheint, auch wenn man das nicht einsehen will. Super Voraussetzungen für ein harmonisches Fest.

Versucht man FreundInnen die Umstände zu schildern, schauen die einen entweder verständnislos an, weil sie schon daran scheitern zu kapieren, wer da jetzt mit wem verwandt ist und wo genau das Problem liegt, oder sie nicken, verdrehen die Augen und sagen: "Kenn ich, ist bei uns auch immer schrecklich".

Eric Nil scheint das auch sehr gut zu kennen und beschreibt dieses Chaos an Gefühlen sehr gut in seinem Roman "Abifeier". Er spricht aus Erfahrung, das merkt man beim Lesen sofort und wahrscheinlich ist es reiner Selbstschutz, dass er unter einem Pseudonym schreibt, denn die nächste Familienfeier kommt bestimmt, auch für ihn. 

Mit viel Ironie beschreibt der Autor all die unterschiedlichen Befindlichkeiten der Familienmitglieder, die bei der Abifeier seiner Tochter berücksichtigt werden müssen. Im Vorfeld werden die Situationen durchgespielt und besprochen, die Realität sieht dann oft ganz anders aus:
"Diese Begegnung zwischen Johanna und Bea, die mir wochenlang Sorgen bereitet hatte, hat in meiner Erinnerung einen Klang: Wusch! Ein Schnellzug raste vorbei, blies mir die Haare nach hinten und war weg."
Ein unterhaltsames, ironisches Buch über eine Familienfeier. Eine Einsicht hat es bei mir definitiv bestärkt: Familienfeiern sind nicht planbar, man kann nur hingehen und versuchen es möglichst gut über die Bühne zu bringen und das Ganze mit Humor zu betrachten. Dann ergeben sich vielleicht sogar ein paar ganz gute Momente.


Inhalt:

"Die Abifeier: der perfekte Ort für das Familienscharmützel.

Der Schriftsteller Eric Nil hat sie selbst durchlebt und durchlitten.
Und darüber einen scharfsinnigen, bitter-ironischen Bericht geschrieben, der allen zum Auflachen verhilft, die beim nächsten Familienfest auch zwischen vielen Stühlen sitzen müssen.
Die Abifeier von Tochter Nora steht an. Alle wollen das Beste. Doch in einer Zeit, in der Familien sich immer mal in ihre Einzelteile auflösen, die sich dann wiederum mit anderen Einzelteilen zu neuen, irgendwie familienähnlichen Gebilden zusammenschließen, kann so eine Abifeier schon mal zu einem emotionalen Schlachtfeld werden. Und am Ende kommt es zum Schlimmsten.
So jedenfalls schätzt der Ich-Erzähler die Lage ein. Und er beschließt, sich zu wappnen. Denn eins ist klar: Dass der Sohn seiner neuen Freundin Johanna ein Schulkamerad von Nora ist und ebenfalls im Abi steckt, macht die Sache nicht gerade einfacher.
Zwangsläufig wird seine Ex auf der Abifeier zum ersten Mal Johanna begegnen, und auch er wird erstmals mit Johannas Ex zusammenstoßen. Und das ist noch nicht alles: Sein Sohn Alex hat seit Jahren nicht mit ihm gesprochen. Doch der Schwester zuliebe hat er seine Teilnahme an der Abifeier angekündigt …"

Quelle: http://www.galiani.de/buch/abifeier/978-3-86971-165-2/

Über das Buch:

 

Verlag: Galiani-Berlin
ISBN: 978-3-86971-165-2
Erschienen am: 15.02.2018
160 Seiten, gebunden mit SU
17,00 €

 



Sonntag, 18. Februar 2018

Helge Timmerberg - Die Strassen der Lebenden

 

Warum es sich zu lesen lohnt:

 

Helge Timmerbergs Geschichten machen einerseits große Lust darauf, die Welt zu entdecken. Andererseits stillen sie das Fernweh, obschon man im eigenen Bett liegt, während man sie liest.

Gemeinsam mit dem Autor war ich in den letzten Tagen und Nächten in einigen Städten unterwegs und habe besondere Momente miterleben dürfen. Besonders gefallen hat es mir in Indien, Marokko und Palermo. Oft schreibt er aber auch über Österreich, Berlin Neukölln oder Erfahrungen, die er völlig unabhängig von einem bestimmten Ort auf der Welt gemacht hat. Das hat mir gut gefallen, denn beim Reisen geht es darum, Neues zu entdecken und dazu muss man nicht immer um die halbe Welt reisen.

Helge Timmerberg ist sein ganzes Leben lang gereist, das hat mit Sicherheit sein Leben geprägt und oft haben die Geschichte einen sehr weisen und klugen Aspekt. Besonders beeindruckt hat mich seine Schilderung eines Krankenhausaufenthaltes in Wien, da hat er mir aus der Seele gesprochen:

"Was ist das Gute an einem Krankenhausaufenthalt? Ich sag´s Ihnen. Man fragt sich nicht mehr, ob man ein Gewinner oder Verlierer ist. Man fragt sich überhaupt nicht mehr, was man ist. Man hat seine Identitätsproblem überwunden. Man ist einfach nur krank im Krankenhaus. Da kennt man sich aus. Da braucht es kein schlechtes Gewissen. Kein mit sich selber Hadern, weil man Ziele nicht erreicht. Keine Beziehungsprobleme und auch keine Probleme mit der Einsamkeit. Es gibt keine offenen Fragen. Keinen Ozean der Unwissenheit. Keinen Liebeskummer und ähnlichen Scheiß. Sämtliche Gedanken, Gefühle und Aktivitäten finden im Krankenhaus ein Thema, auf das sie sich konzentrieren können. Egal, ob es ein Unfall oder eine Krankheit gewesen ist, die dich hergebracht hat, in beiden Fällen nennt man das Schicksal. Und wie man nun beginnt, dieses Schicksal zu tragen, nur darum geht es im Krankenhaus."

In Palermo erlebt er eine Beziehungskrise mit seiner Partnerin Lara und auch hier hat mich, neben der Beschreibung dieser Stadt, sein Blick auf die Beziehung und den Streit fasziniert:

"Die Liebe ist zu schön, um sie dem bösen Wolf zum Fraß vorzuwerfen, nur damit man sich wieder nach ihr sehnen darf. Ich beginne deshalb, zu überlegen, wie ich stattdessen den guten Wolf füttern kann."

Ein unbedingt lesenswertes Buch, welches mich stellenweise auch zum Lachen gebracht hat und mich mit dem Gefühl zurücklässt, von einer wundervollen Reise zurückgekehrt zu sein. 


Inhalt:

"»Reisen ist Bungee-Jumping für die Seele«: Helge Timmerberg lebte schon als globaler Nomade, lange bevor es diesen Begriff überhaupt gab. Er fand als Siebzehnjähriger in Indien zu seinem Beruf, berichtet von überall auf der Welt, geht immer aufs Ganze, probiert alles aus. Nach seiner Autobiografie »Die rote Olivetti« kehrt er mit diesem Band zurück zu Reportagen, aus denen ungebremste Neugier und Leidenschaft fürs Unterwegssein spricht: auf den Straßen, auf denen er sich lebendig fühlt - wie Barcelonas Rambla, die die Altstadt in Legal und Illegal, in Gut und Böse teilt. In Palermo schreibt er sich kräftezehrenden Liebeskummer von der Seele. In Fukushima erlebt er tiefste Demut - und in Rio einen grandiosen Filmriss. Er geht zwischen Amsterdam, Neukölln, Ostwestfalen und dem Hohen Atlas auf Heimatsuche. Und klärt die Frage, wie man ein Hotelzimmer ruck, zuck in ein Zuhause verwandelt."

Quelle: https://www.piper.de/buecher/die-strassen-der-lebenden-isbn-978-3-89029-486-5

 


Über das Buch:

 

€ 20,00 
Erschienen am 02.10.2017  
208 Seiten, Hardcover mit Schutzumschlag
ISBN: 978-3-89029-486-5
Verlag: Piper Verlag 

 



Samstag, 10. Februar 2018

Stuart Nadler - Die Unzertrennlichen




Warum es sich zu lesen lohnt:

 

Drei Frauen aus drei Generationen einer Familie, die sich in einer Krise befinden. Jede von ihnen geht anders mit der Krise um, aufgrund der eigenen Persönlichkeit, aber sicher auch aufgrund der jeweiligen Generation. Interessanterweise ist es ein männlicher Autor, der diese drei Frauen so treffsicher und einfühlsam beschreibt und immer wieder feministische Aspekte in die Geschichte einfliessen lässt.

Henrietta ist die Großmutter, sie ist damit beschäftigt, ihren verstorbenen Mann loszulassen und möchte verhindern, dass ein feministisches Buch, welches sie in den 60er Jahren geschrieben hat, neu aufgelegt wird.

Oona, ihre Tochter, steckt in der Trennung von ihrem Mann und beginnt ein nicht sehr befriedigendes Verhältnis mit dem Paartherapeuten, der eigentlich die Ehe retten sollte. Statt dessen hat er Sex auf dem Küchenfussboden mit seiner Klientin, der das nur wenig Spaß bereitet.

Am meisten hat mich jedoch die Geschichte von Lydia fasziniert, der Tochter von Oona und Enkelin von Henrietta. Sie wird in einer Eliteschule zum Opfer von Cybermobbing. Ein Junge, dem sie vertraut hat und in den sie verliebt war, stellt Nacktfotos von ihr ins Internet und erpresst sie. Die Ohnmacht, die das bei Lydia und auch ihren Eltern auslöst, ist beeindruckend beschrieben. Es entbehrt nicht einer gewissen Komik, dass ausgerechnet Lydia Opfer von Seximus wird, hat doch ihre Großmutter in den 60er Jahren ein feministisches Buch über den weiblichen Körper geschrieben.

Obwohl Stuart Nadler in seinem Buch ernste Themen behandelt, ist es eine unterhaltsame Familiengeschichte voller Ironie und Humor.

 

Inhalt:


"»Die Unzertrennlichen« ist ein hochkomischer, exzellent geschriebener Roman über drei Frauen, Tochter, Mutter und Großmutter, die immer weiter im Chaos ihres Lebens versinken.
Henrietta Olyphant hat gerade ihren Mann und fast all ihr Geld verloren, da droht eine weitere Katastrophe: Ihr Buch »Die Unzertrennlichen« soll wiederaufgelegt werden. Viele Dekaden sind vergangen, in denen sie keinen Gedanken an ihren Bestseller wider Willen über die Sexualität der Frau verschwenden musste. Das umstrittene »Handbuch für Besucher des weiblichen Körpers« mit sehr expliziten Zeichnungen von Geschlechtsorganen sollte ein feministischer Beitrag zum prüden Leben im Amerika der Sechzigerjahre sein, leider wurde es millionenfach von verklemmten Hausfrauen und lüsternen Männern gekauft und von der Kritik übel verschmäht. Oona, Henriettas Tochter und Chirurgin, ist gerade wieder nach Hause gezogen, nachdem sie sich von ihrem dauerbekifften Mann getrennt und jetzt eine Affäre mit dem Paartherapeuten angefangen hat. Ihre Tochter Lydia wiederum wird von der Schule suspendiert, weil ein Nacktfoto von ihr unfreiwillig die Runde gemacht hat.
Die drei Olyphantfrauen müssen sich zusammen ihren Dämonen stellen, das Chaos wird allerdings immer größer statt kleiner. »Die Unzertrennlichen« stellt auf hochkomische Art die Frage, ob man sein Leben wirklich planen kann und welche Rolle die Familie spielt, wenn es hart auf hart kommt."
Quelle: https://www.kiwi-verlag.de/buch/die-unzertrennlichen/978-3-462-04988-6/

Über das Buch:

 

Verlag: KiWi
Titel der Originalausgabe: The Inseparables
Aus dem amerikanischen Englisch von Andreas Reimann
ISBN: 978-3-462-04988-6
Erschienen am: 17.08.2017
368 Seiten, Klappenbroschur
14,99 €